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Tags: Interview, Schweden, Buchmarkt
Autor/in: Ella Belén Hintz
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Lågomby

Lågomby- eine außergewöhnliche Geschichte über einen verwunschenen Mord in Schweden. Bei einem exklusiven Interview durfte ich schauen, welche Köpfe sich hinter den Deckeln dieses Buches verstecken.

Hallo Rachel und Felix, Vielen Dank, dass ihr euch Zeit für uns genommen habt.
In der Regel schreibt ja nur ein Autor an einem Buch. Bei eurem Buch „Lågomby“ sah das ein bisschen anders aus. Erzählt mal:
Wie ist es in einem Autorenteam zu schreiben?

Felix: Hallo, ja Danke für eure Einladung.
Spannend. Man muss erstmal herausfinden, ob die Schreibstile zusammenpassen. Und ob überhaupt beide Lust haben, über dasselbe Thema zu schreiben. Wenn das der Fall, ist es natürlich toll, sich ständig austauschen zu können. Und – zumindest theoretisch – kommt man mit dem Schreiben doppelt so schnell voran. 🙂

Rachel: Ich fand es sehr schön und inspirierend zu zweit zu arbeiten. Wenn man alleine schreibt, kann das sehr schnell etwas einsam werden. Oder man dreht sich immer wieder um die eigene Achse. Im Team muss man sich zwar sehr genau abstimmen, aber dafür bekommt man auch immer sofort Feedback und wenn man mal an einer Stelle nicht weiter kommt, kann man sie erstmal dem anderen überlassen. Ein, zwei Mal sind auch schöne Ideen entstanden, weil wir uns eigentlich missverstanden haben. Sachen, auf die man sonst vielleicht nicht gekommen wäre.

 

Das hört sich so an als hättet ihr euch ziemlich gut ergänzt. Habt ihr denn die Geschichte und deren Verlauf besprochen oder jeder einzeln euren Part geschrieben?

Rachel: Wir haben alles besprochen – im Vorfeld und auch im Verlauf immer wieder. Anders ist es glaube ich schwierig eine kohärente Geschichte zu schreiben.

Felix: Wir haben lange zusammen an der Struktur gearbeitet, bevor wir mit dem eigentlichen Schreiben begonnen haben. So hatten wir dann einen mehr oder weniger festen Rahmen, den wir mit Inhalt füllen konnten.

Aber abgesehen von den vielen positiven Aspekten, stelle ich es mir schwierig vor wenn man sich zum Beispiel über einzelne Entwicklungen des Buches uneinig ist. Gab es bei euch auch Probleme oder Uneinigkeiten?

Rachel: Zwischen uns? Eigentlich nicht wirklich. Wenn irgendwas unklar war oder einer von uns etwas ändern wollte, haben wir das eben besprochen und eigentlich waren wir uns dann immer einig, dass es nur eine Lösung gibt, die wirklich unserer Handlung, bzw. unseren Figuren entspricht.

Felix: Das größte Problem am gemeinsamen Arbeiten war eher, dass wir – neben unseren „normalen“ Jobs – auch tatsächlich gemeinsam Zeit finden mussten.

Das hört sich ja ziemlich harmonisch an. Und auch beim Lesen eures Buches ist mir aufgefallen, dass es kaum Unterschiede im Schreibstil gibt.
Wie kommt es, dass man nicht erkennt, wer von euch welche Textstellen geschrieben hat?

Felix: Das werden wir oft gefragt. Kleine stilistische Unterschiede lassen sich bestimmt finden. Das könnte ja eine Challenge an die Leser werden, diese zu erkennen. 😉

Rachel: Ganz wichtig war auf jeden Fall das enge Zusammen- und ständige Überarbeiten. Und dass wir beide offensichtlich ein ähnliches Interesse an Sprache besitzen.

Ja, das merkt man aufjedenfall. Aber abgesehen von eurem Interesse an Sprache Woher kam die Idee zu dem Buch?

Rachel: Auf einer Fähre von Schweden nach Deutschland. Das war eigentlich eine etwas langweilige Überfahrt – kein richtig schönes Wetter und alle hingen gelangweilt bis genervt in den Innenräumen des Schiffs herum. Beim Beobachten der anderen Passagiere hat sich dann wie von selbst eine erste Idee entwickelt.

Ahh, aus dem Grund kam es auch dazu, dass euer Buch in Schweden spielt oder?
Felix: Wir haben beide einen starken persönlichen Bezug zu Nordeuropa, ich habe auch mal ein halbes Jahr in Nordschweden gelebt. Für Schweden entschieden haben wir uns aber auch, weil es für Deutsche vielleicht das präsenteste der skandinavischen Länder ist.

Rachel: Und dann hatten wir diese – nicht hundertprozentig ernst gemeinte Idee –etwas zwischen Henning Mankell und Inga Lindström schreiben zu wollen. 🙂

Wenn ihr beide bereits in Schweden wart gab es dann einen Ort, der als Vorbild gedient hat? Oder gibt es Lågomby wirklich?


Rachel: Es gibt die Umgebung von Lågomby. Den Ort selbst gibt es nicht.

Felix: Im Grunde steht Lågomby stellvertretend für die typische, durchschnittliche Kleinstadt Nordschwedens.

Ihr beschreibt Lågomby als typische Kleinstadt Schwedens. Heißt das, dass ihr in eurem Buch auch auf die Kultur Schwedens eingeht? Trinkt man in Schweden überhaupt viel Bier und vorallem welche Rolle spielt das Bier wirklich?

Rachel: In Schweden trinkt man viel. Punkt. 🙂

Felix: Das stimmt, zumindest am Wochenende. Unser Eindruck ist aber auch, dass die globale Craft-Beer-Bewegung erst relativ spät in Schweden angekommen ist, inzwischen aber – wie auch bei uns in Deutschland – vor allem die jungen Biertrinker sehr anspricht. Da wir von Anfang an auch über (Generationen-)Konflikte innerhalb einer Familie schreiben wollten, hat sich dieses Thema angeboten.

Rachel: Und du hast ja auch die familiäre Beziehung zum Bier.

Felix: Genau. Meine Onkel haben Anfang der 80er Jahre eine Brauerei in den USA gegründet. Da habe ich immer viel mitbekommen – und probiert. 😉

Ahh daher also die ganzen Insider Infos zur Brauerei 🙂
Wie viel von euch selbst (charakterlich) steckt denn im Buch? Und wie viel eurer Gedanken, die euch immer wieder in eurem Leben beschäftigt haben, steckendarin?

Felix: Rachel ist ganz klar Marie und ich bin Bengt! 🙂

Rachel: Ich dachte, du wärst Ingeborg? 😉 Aber im Ernst: Das ist immer eine schwierige Frage. Alles und Nichts. Die Handlung oder die Charaktere basieren nicht auf realen Ereignissen in unseren Leben. Trotzdem gibt es natürlich einzelne Gedanken, Situationen oder Reaktionen der Figuren, die auf eigenen Erfahrungen fußen. Alles andere wäre auch komisch, schließlich haben wir sie ja geschrieben. Aber man kann nicht sagen, dass eine Figur oder die Handlung an uns angelehnt wurde.

Das ergibt auch Sinn. Habt ihr denn schon immer viel geschrieben? Wenn ja was? Und in welchen Lebensabschnitten besonders viel?

Felix: In der Schule habe ich ein paar Kurzgeschichten und Gedichte geschrieben. Aber definitiv nichts, was es wert wäre, nochmal hervorgekramt zu werden. 🙂 Später dann Studiums- und Berufsbedingt mehr wissenschaftliche und journalistische Texte. Lågomby ist für mich also auf jeden Fall eine Rückkehr zur Schreib- Leidenschaft meiner Kindheit und Jugend.

Rachel: Schreiben hat schon immer eine große Rolle bei mir gespielt. Als Kind ganz klassisch Tagebücher, etwas später Gedichte, auch mal so etwas Ähnliches wie einen Roman. Das meiste davon würde ich heute selbst wahrscheinlich nicht mehr lesen wollen. Selbst in der Uni haben mir letztlich die Hausarbeiten irgendwie am meisten Spaß gemacht. Und dann natürlich das Drehbuchschreiben.

Das Klingt als wäre das Schreiben oder das „sich künstlerisch Ausdrücken“ ein wichtiger Part in eurem Leben?

Rachel: Sehr. Ich habe ursprünglich Zeitgenössischen Tanz studiert und einige Jahre als Tänzerin gearbeitet. Tanzen, Bewegung und körperlicher Ausdruck im Allgemeinen sind für mich nur eine andere Form von Sprache. Eigentlich die grundlegendste, die wir kennen, die leider immer stärker durch Äußerlichkeiten und Entfremdung vom eigenen Körper überlagert wird. Aber das führt uns jetzt hier vielleicht zu weit. 🙂

Tanzen ist ja auch etwas sehr Befreiendes und vor allem Intuitives. Wie sieht das bei eurem Schreibprozess aus: Seid ihr perfektionistisch und nie vollkommen zufrieden oder eher locker und zufrieden mit dem Intuitiven?

Felix: Ich eher letzteres. Hausarbeiten im Studium oder ähnliches habe ich geschrieben und abgegeben – da hab ich nur selten nochmal was überarbeitet. Aber beim eigenen Roman ist es nun doch etwas anders. Da fällt mir bei jedem Lesen doch immer wieder ein Wort oder eine Formulierung auf, die ich dann nochmal ändern will. In der Hinsicht ist das Schreiben zu zweit ein großer Vorteil, weil da der andere oft genau die Dinge besser schreiben kann, die einem selbst nicht so richtig gelungen sind.

Rachel: Das Intuitive finde ich enorm wichtig während des eigentlichen kreativen Prozesses. Wenn ein Buch von mir „fertig“ ist, kann ich aber kaum eine Seite lesen ohne mehrere Sätze oder Ausdrücke ändern zu wollen.

Eine Mischung aus beidem macht es also ja? Wie lange dauert es denn in einem kreativen Prozess bis ein Buch komplett fertig ist?

Felix: Von der ersten Idee bis zur Fertigstellung des kompletten Manuskripts hat es knapp drei Jahre gedauert.

Rachel: Und jetzt kommt es drauf an, wie lange wir noch umarbeiten. 🙂

Das stimmt und vor allem wie viele Menschen wir von eurem spannenden Buch überzeugen können.
Vielen Dank euch auf jeden Fall für die interessanten Antworten.
Falls ihr auch mehr über Lågomby und den rätselhaften Mord erfahren möchtet findet ihr das hier: