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Tags: Quarantäne, Corona, Bücherliste
Autor/in: Caroline Breitfelder
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Hilfe, zu viel Freizeit – was tun?

Vierzehn Tage frei, aus dem Nichts fällt die unerwartete Mußezeit vom Himmel. Keine Anwesenheit auf der Arbeit, lautet die Nachricht. Entweder es steht Homeoffice an oder Bürger*in ist bis auf weiteres ganz befreit vom Joch des Erwerbs.

Für einige Menschen in Deutschland ist die vierzehntätige Quarantäne aus gesundheitlichen Gründen Realität – und dann gilt für einen Großteil der Zeit natürlich sowieso: Erholen! Aber auch andere werden aus Sicherheitsgründen dazu angehalten, die heimischen Hallen zu hüten und das öffentliche Leben vorerst zu meiden.

Was sich im ersten Moment anfühlt wie ein unverhoffter Urlaub, kann schnell zum Alptraum werden. Die eigenen vier Wände rücken immer näher, bedrohliche Langeweile breitet sich aus. Denn was macht man mit so viel Zeit, die einem zur freien Verfügung steht? Was macht man als Mitglied der Leistungsgesellschaft, wenn man nicht gezwungen wird zur Leistung? Wenn man seine Freunde nicht mittags zum Lunch, nachmittags zum Kaffee und abends auf ein Gläschen Wein treffen kann? Wenn man zurückgeworfen wird auf die Familie, die WG, oder, Gott bewahre, auf sich selbst?

Die leeren Stunden füllen

Eine Möglichkeit, die mentale Gesundheit nicht an den Nagel hängen zu müssen, ist: Struktur. Das klingt jetzt sehr deutsch, typisch Kartoffel, aber es ist was dran. Ziele setzen, Projekte entwerfen, die Stunden nicht zu gähnenden Abgründen des Nichtstuns werden lassen. Klar, mal einen Tag lang auf der Couch abhängen, das ist nett. Aber zwei Wochen lang auf dieser Couch bleiben, das kann bei vielen von uns übel werden für Körper und für Seele.

Also wieso nicht all die Dinge in Angriff nehmen, die man sowieso schon lange vorhatte? Wieso nicht all die Bücher lesen, für die man davor keine Zeit finden konnte? Die Filme sehen, die einem abends nach getaner Arbeit zu lang vorkamen? Die alten Brettspiele wieder vom Regal herunterholen und mit den Leidensgenoss*innen zusammen spielen?

Um eurer und um unserer seelischen Gesundheit willen haben wir eine Liste zusammengestellt mit allerlei Vorschlägen, wie ihr die Stunden und Tage nicht nur hinter euch bringen, sondern vielleicht sogar genießen könnt. – Also auf!

Quarantäne-Hack 1: Bücher, die dich in neue Welten entführen

 

  • Realitätsflucht: Die Stadt der Träumenden Bücher von Walter Moers à Walter Moers ist unangefochtener Meister darin, phantastische Welten aus Papier und Tinte zu stampfen, die dich ab der ersten Seite mit Haut und Haar einsaugen und in denen du für einige glückselige, atemlose, adrenalindurchströmte Stunden die irdische Realität völlig vergessen kannst. Wenn du die Stadt der Träumenden Bücher bereits durchgeblättert hast und nach mehr aus dem Moers’schen Universum lechzt, wären auch noch Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär oder Rumo & Die Wunder im Dunkeln wärmstens – brühwarm – kochend heiß zu empfehlen! Tipp: Die gibt’s alle auch als Hörbücher, großartig vorgelesen von Dirk Bach.

Prognose: Du wirst eine gehörige Portion Orm abbekommen und der Gemeinde der Moers-Anbeter anheimfallen. Das ist eine schöne Gemeinde, glaube mir. Wechsle auf unsere Seite über. Wir haben die bessere Unterhaltung.

 

  • Für Geist und Seele: Die philosophische Hintertreppe von Wilhelm Weischedel à Du möchtest die Zeit nutzen, um dich etwas fortzubilden, ohne aber deinen Gehirnzellen gleich zu viel zuzumuten (immerhin bist du ja gerade nicht auf der Arbeit) – also Bildung mit Spaßfaktor ist gefragt? Dann nimm doch die Philosophische Hintertreppe, die dich geradewegs in die heiligen Hallen der weisen Philosophen unserer Geschichte hinaufführt. Von Sokrates und Platon über Hume und Kant bis hin zu Kierkegaard und Schopenhauer warten Weisheiten und Lehren auf dich, die dir womöglich auch einen ganz anderen Blickwinkel auf die heutige Zeit und ihre großen und kleinen Krisen eröffnen können.

Prognose: Deine Freunde und Familie werden dich in deiner stoischen Ruhe kaum wieder erkennen, werden deine aristotelische Eloquenz bewundern und über deinen angelesenen Geistesadel die Kiefer aufklappen!

 

  • Literarischer Snack für zwischendurch: Kurzgeschichten von W. Somerset Maugham à Du denkst dir: Ein ganzer dicker Wälzer ist vielleicht für’s Erste zu viel des Guten; nein, besser wäre was für zwischendurch, Ablenkung für eine halbe Stunde, ein Stündchen; eine abgerundete, vollmundige Geschichte, die nicht gleich die ganze Quarantäne-Zeit für sich in Anspruch nimmt? Dann versuch es doch mal mit kurzen Geschichten, kurz: Mit Kurzgeschichten. Der englische Schriftsteller William Somerset Maugham gilt als ein Genie auf diesem Gebiet. Mit schlichter und eleganter Sprache schafft er es, Charaktere zu zeichnen, als kenne man sie schon sein Leben lang und eine Stimmung zu kreieren, als wäre man selbst Teil ihrer Geschichte. Und, das Wichtigste, wenn die Geschichte kurz ist: Es gelingt ihm, Leser innerhalb der ersten paar Sätze zu fesseln. Tipp: In der Originalsprache Englisch ist das Ganze ein noch größerer Genuss.

Prognose:

Du wirst dich als Kurzgeschichten-Liebhaber*in entdecken

und nach mehr die Finger strecken –

Um vorzubeugen dem Entzug,

mit einem Autor nicht genug

bringe ich mit Freunden an:

Auch lesenswert die Kurzgeschichten des Thomas Mann.*

 

*So kämpfe ich gegen das dröge Einerlei des Homeoffice an: Knittelverse. Probiert’s mal aus; alles ist besser, wenn es sich reimt.

 

  • Was Schweres zum Nachdenken: Ein wenig Leben von Hanya Yanagihara à Fesselnd und emotional fordernd ist Yanagiharas Werk. Du wirst gewiss die Welt um dich herum vergessen und mitfiebern, mitleiden und mitlieben bei den Charakteren, deren manchmal komische, manchmal verrückte, aber auch oft tragische Lebensgeschichte in den Bann zieht. Es ist erfrischend und manchmal schockierend, wie direkt die Autorin Tabu-Themen wie psychische Krankheit und Missbrauch anspricht. Das ist wichtig und richtig, aber dennoch eine kleine Warnung: Einige Szenen in Ein wenig Leben sind nichts für Zartbesaitete.

Prognose: Hier wird über wichtige und im gesellschaftlichen Diskurs häufig vernachlässigte Thematiken gesprochen, die verstören und aufrütteln, über die Bescheid zu wissen aber dennoch wichtig ist. Außerdem wird dir deine Quarantäne danach wahrscheinlich wie das kleinste aller Probleme vorkommen.

 

  • Was Leichtes zum Lachen: Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand von Jonas Jonasson à ein bisschen Weltgeschichte, ein bisschen Gesellschaftskritik, ein bisschen Nachdenklichkeit – plus eine große Portion Humor, präziser Schreibstil und stilistische Intelligenz: Das macht Jonassons berühmten Erstling Der Hundertjährige Folge dem Antihelden Allan Karlsson aus dem Fenster und mitten hinein in Ereignisse und Begegnungen, deren Tragweite Allan, dem ungewollten Weltenveränderer, erst lange im Nachhinein bewusst wird.

Prognose: Das Herz wird warm und die Wangen werden vom Schmunzeln, Grinsen und Kichern schmerzen. Aber das ist es wert.

Quarantäne-Hack 2: Serien & Filme-Marathon

Ja, wir lieben Bücher. Aber auch wir tauschen ab und an die Seiten zwischen den Fingern ganz gern gegen die Fernbedienung aus und lassen uns berieseln. Für einen Filme-Marathon lohnen sich natürlich die Marathon-Klassiker Herr der Ringe (die Extended Version bitte, die Kinoversion gilt nicht) oder Harry Potter; bei dieser Filmlänge ist die Quarantäne zur Hälfte um, wenn der Bildschirm wieder schwarz wird. Für Anime-Fans: Die großartigen Ghibli-Filme sind mittlerweile auf Netflix verfügbar und warten darauf, euch in phantastisch-skurrile Welten zu entführen. Schindlers Liste macht Gänsehaut. Forrest Gump rührt zu Schmunzeln und Tränen. Die Filme von Quentin Tarantino sind zwar nichts für Zartbesaitete; dass sie langweilig seien, kann man allerdings beim besten Willen nicht behaupten (Pluspunkte für alle Filme, in denen Leonardo Di Caprio mitspielt). Und wenn ihr all diese Filme schon kennt, dann schaut doch mal auf der IMBD-Top-100-Liste vorbei; hier ist sicherlich für alle Stimmungen und Gemüter was passendes zu finden.

Zum Serien suchten können wir die Sherlock-Reihe empfehlen, in der Benedict Cumberbatch mühelos unsere Herzen stiehlt, oder Babylon Berlin, eine der besten deutschen Serienproduktionen der letzten Jahre. Allen, denen das Arbeitsleben gar zu sehr fehlt, kann The Office (die amerikanische Version) das Gefühl geben, man sei wieder mitten im Alltagsdrama der Bürowelt angekommen. Breaking Bad und Game of Thrones sind natürlich ebenfalls einen Blick wert, auch wenn die meisten diese zwei Erfolgsserien wahrscheinlich schon kennen – Suchtfaktor! Wer es nachdenklicher mag: Dark und Black Mirror halten das Hirn ein bisschen auf Trab.

Quarantäne-Hack 3: (Computer-)Spiele

Um ein paar Stunden totzuschlagen, eignet sich eine Spielrunde bestens. Entweder um den Tisch herum mit Familie, Freunden oder WG – oder vor dem Bildschirm. Für ersteres hätten wir in petto: Codenames oder Sudoku (um den Gehirnschmalz nicht ganz abzubauen), Siedler von Catan und natürlich die klassischen Kartenspiele wie Doppelkopf, Elfer raus, Canasta & Co. Informiert euch – dieser kleine Stapel Karten ist ganz schön vielseitig.

Für Fans der virtuellen Spielwelten ist Minecraft einen Abstecher wert, wohl das erfolgreichste Spiel des letzten Jahrzehnts; Witcher 3: The Wild Hunt ist eines der besten Single Player Rollenspiele der letzten Zeit; Mario-Kart, Mario Bros, Mario-whatever machen einfach Spaß und Portal 2 ist zwar kein langandauerndes, aber sehr unterhaltendes Spiel. Für ein langes Rollenspiel wären Baldur‘s Gate und Baldur‘s Gate 2 zu empfehlen.

Sonstige Tipps & Tricks gegen die Langeweile:

  • Sport machen! Auch in kleinen Räumen gibt es Möglichkeiten, sich zu bewegen und etliche YouTube-Tutorials für Yoga und sonstige Workouts, für die du kein Fitness-Studio und keine spezielle Ausrüstung benötigst.
  • Old but Gold: Genug Wasser trinken und regelmäßig lüften!
  • Erstell dir präventiv eine Spotify-Playlist, die dir unfehlbar gute Laune machen wird, wenn du mal den Kopf hängen lässt.
  • Schau dir die Bilder aus den letzten Urlauben wieder mal an, von denen du dachtest, sie würden auf ewig in der Schublade verstauben; die Erinnerung an Meeresbrisen, Berggipfel und neue Orte wird deine Laune heben. Bastel vielleicht ein Fotoalbum draus, das du dir entweder selbst ins Regal stellen oder verschenken kannst.
  • Ein paar Minuten Meditation am Tag (für den Anfang empfehle ich 10 bis 15 Minuten) wirken Wunder für den Seelenfrieden.
  • Lange vernachlässigten Hobbies und Projekten nachgehen – wieder in die verstaubten Klaviertasten hauen; das Buch schreiben, für das man schon vor Monaten die zündende Idee hatte; sich neue Socken stricken oder endlich Spanisch lernen.
  • Mit Freunden und Familie Kontakt halten – per Telefon, Skype oder sonstige Soziale Medien.
  • Wenn mal das Dach auf den Kopf fällt hilft es, aufzuschreiben, was in dir vorgeht, zum Beispiel per Mail an Freunde oder in ein Tagebuch.

 

Anm.: Dieser Blogbeitrag ist im lockeren Ton gehalten, um die Gemüter aufzuhellen. Natürlich sind wir uns nichtsdestotrotz des Ernstes der Lage bewusst und unsere Gedanken sind mit den Menschen, die auf welche Art auch immer unter dem Corona-Virus und seinen Konsequenzen leiden.

Bleibt gesund!

 

Weitere Tipps:

Zum Umgang mit Quarantäne vom Bundesgesundheitsministerium: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Handreichung_Tipps_bei_haeuslicher_Quarantaene.pdf

Auch das Robert-Koch-Institut stellt ein Merkblatt bereit: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Quarantaene/Flyer.html