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Tags: Klassiker, Bücherliste, Buchempfehlung
Autor/in: Caroline Breitfelder
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Ich beobachte öfters Menschen in Buchläden. Das kann ziemlich witzig sein. Es gibt einige, die zielstrebig zum Regal laufen, ein Buch herausziehen und wieder die Fliege machen. Andere, die stundenlang mit leuchtenden Augen stöbern. Einige machen allerdings einen hochgradig verwirrten Eindruck. Ihnen dräut möglicherweise ein langes Wochenende oder ein Strandurlaub oder aber sie sind fest entschlossen, sich jetzt endlich mal gründlich zu bilden. Voller guter Vorsätze wird dann die nächste Buchhandlung aufgesucht. Kaum aber überschreitet man die Schwelle zum Hain des Wissens, starren einen tausend Buchrücken herausfordernd an. Was tun, welches Buch aussuchen, welche stehenlassen? Was will man eigentlich lesen? Der Mut sinkt. Und da biegt auch schon die entschlossene Verkäuferin um die Ecke und trifft den Kunden mit einem fordernden „nach was suchen Sie?“ – Ja, wenn Mensch das wüsste.

Um in diesen Augenblicken eine selbstbewusste Antwort parat zu haben, um ein Sprungbrett zu finden, von dem aus man in das bunte Bällebad aus Buchstaben hüpfen kann, braucht es wenig mehr als ein bisschen Inspiration. Genau davon soll es heute eine Portion geben in unserer Buchtipp-Reihe „Welche 5 …?“, in der dir aus verschiedenen Kategorien je fünf Bücher vorgestellt werden, die man gelesen haben sollte.

Auf dich warten fünf klassische Wälzer, die dich weiser machen werden; fünf Powerfrauen, die dich inspirieren wollen; fünf zeitgenössische Autor*innen, die dir den Glauben an die Gegenwart zurückgeben können und fünf Bücher, die du deinen (künftigen) Kindern vorlesen solltest … das sollte erstmal für die nächsten Besuche im Buchladen vorsorgen.

No. 1: Welche 5 Klassiker solltest du gelesen haben und warum?

Vier mal fünf Bücher aus dem Potpourri des reichhaltigen literarischen Angebots rauszupicken ist nicht so einfach. Die Auswahl fällt ungefähr so leicht wie ein schlechtes Gewissen wiegt, aber schlussendlich habe ich mir gedacht: Von allem ein bisschen und ein bisschen von meinen persönlichen Lieblingen. So. Eine kleine Liste, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, aber auf Qualität und Spaßfaktor schon. Also: Sprungbrett voraus und tauche ein!

Alexandre Dumas, Der Graf von Monte Christo

Sinnigerweise zum Bild des Eintauchens passt der Abstecher, den wir nun gemeinsam gen Mittelmeer unternehmen. Male dir aus: Unter uns das Meer. Die Wellen brechen sich im Sonnenlicht, ein warmer Wind pustet ins Gesicht, weiße Segel sind auf der Suche nach dem Horizont. Da durchbricht auf einmal Stein das Wasser. Vor uns ragt eine kleine Insel in die Höhe. Sie trägt den Namen Montecristo und sie birgt ein Geheimnis, einen verborgenen Schatz, dessen goldglitzerndes Ausmaß alle Träume übersteigt.

 

Dieser Berg aus Diamant und Gold, der im Stein schlummert, ist bestimmt für eine Person: den jungen Seemann Edmond Dantès. Das Glück des Finders ist aber gleichzeitig sein Unglück. Denn das Wissen um den Standort der Reichtümer erlangt Edmond in der schlimmsten Zeit seines Lebens: Eingesperrt in einem Gefängnis. In dieses haben den Unschuldigen seine Feinde gebracht, auf der Höhe seines Glücks, kurz vor seiner Beförderung zum Kapitän und kurz vor der Heirat mit Mercédès, einer wunderschönen Katalanin, die Edmond ebenso zärtlich liebt wie er sie. Aus Neid und Missgunst spinnen seine Widersacher eine Intrige, die zu Edmonds langjähriger Gefangenschaft führt. In jener Zeit trifft er auf einen Mitgefangenen, einen Abbé, der ihm von dem legendären Inselschatz erzählt.

Als Edmond durch eine spektakuläre Flucht den eisernen Gittern entkommt, hat er nur noch einen Gedanken: Rache. Er will diejenigen, die ihn um sein Glück und seine Jugend betrogen haben, strafen. Die Mittel dazu hat er nun und der Leser verfolgt den Rest der Erzählung mit angehaltenem Atem Edmonds teuflischen Plan, mal ganz und gar auf seiner Seite, mal erschrocken über den Hass, der in dem Protagonisten schwelt; mal melancholisch im Gedanken an das, was hätte sein können, mal voller Hoffnung auf das, was noch sein kann. Und: Dumas. Schreibt. Göttlich.

Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel

Hesse verfasste „Das Glasperlenspiel“ in fortgeschrittenem Alter, es ist sein letzter Roman. Über zehn Jahre lang arbeitete er daran. Man erkennt in der Geschichte durchaus noch Hesses typisches Motiv, den Werdegang eines jungen Mannes und seine Charakterentwicklung im Laufe seines Lebens. Man könnte sagen, es ist nicht unbedingt neu, aber: eben besser.

Die Hauptfigur Josef Knecht begegnet uns in einer Welt der Zukunft, welche die „Verfallsepisode“ des Westens hinter sich gelassen hat und nun in einer Phase der kulturellen Blüte geleitet wird von einer geistigen Elite, die sich den Wissenschaften und dem Wissen widmet. Darunter fällt auch das berühmte Glasperlenspiel, die Königsdisziplin des Geistes, die Vorstellung einer kunstvollen Vereinigung aller Wissenschaften und der Künste, etwa Musik mit Mathematik, Physik mit Literatur. Es ist der Versuch einer Art Universalsprache der Erkenntnis. Der Gegensatz zwischen dem abgesonderten Orden des Glasperlenspiels und dem weltlichen Außen wird zu einer zentralen Grundfrage in Josefs Leben.

Hesses Schreibstil, immer gewinnend, hat hier einiges von seiner frühen Blumigkeit, die teilweise an Kitsch grenzt, verloren, ist klarer, direkter, unverfälschter. Schon ohne die gesellschaftskritischen Tendenzen und Betrachtungen der menschlichen Eigenarten, die das Buch lesenswert machen, ist allein die Hesses Art des Schreibens schon ein Genuss.

John Ronald Reuel Tolkien, Der Herr der Ringe

Ich habe keinerlei Geduld mit Menschen, die sagen, sie mögen Fantasy, aber Tolkien nicht. Noch weniger mit Menschen, die sagen, sie mögen „Herr der Ringe“, haben aber nur die Filme gesehen. Tolkien ist der Beginn aller Fantasy, wie wir sie heute kennen. Also sollte man auch ihn kennen. Punktum.

Allein der Hintergrund der Werke ist faszinierend: J.R.R. Tolkien lehrte an der Universität Oxford Altenglisch und beschäftigte sich im Rahmen seiner Forschung unter anderem mit altnordischen Sagen. Begeistert von diesen phantastischen Welten kreierte Tolkien eine Art englische Mythologie. Er schuf in Anlehnung an germanische, keltische und europäische Sagen eine ganze Welt aus Worten, eine Welt mit eigenen Völkern, Ländern, Kulturen, einer eigenen Geschichte, eigenen Sprachen: Mittelerde.

 

 

In dieser Welt muss eine Gruppe von Gefährten, bestehend aus Hobbits, Menschen, einem Zauberer, einem Elf und einem Zwerg, den einen Ring zerstören, one ring to rule them all, das Einzige, was die Machtergreifung des Bösen in Mittelerde verhindern kann. Weiß gegen Schwarz, Gut gegen Böse, Gefährten auf einer gefährlichen Reise, die letzte Hoffnung. Alles Motive, die uns sehr bekannt vorkommen und die Tolkien zwar nicht erfunden, aber zum ersten Mal auf diese Art und Weise verarbeitet und zu einer eigenen Geschichte verarbeitet hat.

Der Stil Tolkiens wird von manchen als trocken und ausschweifend bekrittelt. Man muss allerdings daran denken, der gute Mann hatte ein ganzes Universum im Hinterkopf. Da fällt das Kürzen schwer. Der Schreibstil ist für das heutige Auge altmodisch und meinetwegen Geschmackssache (mir gefällt’s!), nichtsdestotrotz ist Tolkiens Werk wegweisend für alle kommende Fantasy und allein dafür bin ich John Ronald Reuel dankbar.

Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray

Der „Dorian Gray“ ist der einzige Roman des Iren Oscar Wilde, dem umstrittenen Ästheten, dem Genie und Skandal anhafteten wie zwei unterschiedliche große Schuhe, über die er immer wieder stolpert. Das prüde Großbritannien des neunzehnten Jahrhunderts war für Oscar Wilde nicht bereit. In der Jugend brilliert er an Universitäten, schreibt lange Jahre mit Erfolg und wird umschwärmt, geliebt oder gehasst von der Öffentlichkeit und der Presse, auch aufgrund seiner für jene Zeit relativ offen gelebten Homosexualität.

„Das Bildnis des Dorian Gray“ galt ebenfalls als anrüchig, schien es doch ganz der Strömung des Ästhetizismus verschrieben, der das Leben nur für die Schönheit und den Genuss propagierte. Aber das Werk setzt sich durchaus nicht unkritisch mit Moralität, Sex, Dekadenz und Narzissmus auseinander.

Der Protagonist, Dorian Gray, ist ein reicher junger Mann, von vielen geliebt und bewundert, vor allem ob seiner engelsgleichen Schönheit. Eines Tages erhält er ein Portrait von sich, das statt seiner altert. In das gemalte Gesicht, den Spiegel seiner Seele, zeichnen sich Spuren von Grausamkeit und Menschenverachtung ein, die Dorian in seinen Handlungen an den Tag legt. Das Portrait ist also sein in Farbe gemaltes Gewissen, verdrängte Züge seiner verdorbenen Persönlichkeit. Dorians eigenes Äußeres bleibt makellos schön, sein Inneres verkommt immer weiter. Der menschliche Wunsch nach Reichtum, Schönheit und Beliebtheit, der Dorian erfüllt wird, bringt ihm nicht das Glück, das zu erwarten wäre.

Traurig und ehrlich zeichnet Oscar Wilde in seiner brillanten Sprache das Bild einer dekadenten, selbstverliebten und selbstverleumdeten Gesellschaft, die Schönheit über Charakter und Täuschung über Ehrlichkeit stellt. Lesens- und nachdenkenswert!

Ernest Hemingway, Der alte Mann und das Meer

Die Novelle, die Hemingway auf Kuba schrieb, ist sein letztes zu Lebzeiten veröffentlichtes Werk und eines seiner bekanntesten. Es erzählt uns in schlicht-schöner Sprache von einem alten Fischer, Santiago, der seit mehreren Tagen erfolglos fischt und schließlich den größten Fang seines Lebens macht: Ein riesiger Marlin geht ihm auf den Leim, die beiden ringen miteinander, es entbrennt ein epischer Kampf zwischen Mensch und Tier und der Marlin zieht das Boot gar weit hinaus ins Meer, bis der Fischer es schließlich schafft, den Fisch mit einer Harpune zu töten. Erschöpft, aber triumphierend wendet er das Boot Richtung Heimat. Auf dem Heimweg aber verliert der Marlin Blut, das wiederum einen ganzen Schwarm von hungrigen Haien anlockt …

In einfachen, aber kunstvoll stilisierten Sätzen schichtet Hemingway in dieser kurzen Erzählung mehrere Bedeutungsebenen übereinander und setzt sich auseinander mit dem Altern, den Naturgewalten und der Natur des Menschen. In seiner Geschichte finden sich sowohl autobiographische, intertextuelle als auch gesellschaftskritische Bezüge und die rührende, nachdenkliche Erzählung über den alten Mann und das Meer lohnt auf jeden Fall den Bootsausflug.

Schlusswort

Puuh, so viel Qualität in so wenige Zeilen zu packen ist ein bisschen, als würde man einen Elefanten in einem Briefumschlag verschicken wollen. Ich hoffe, dass für dich, wenn du den Briefumschlag öffnest, dennoch einiges an Inspiration und Lese-Ideen für dich rausspringt. Lass gerne auch einen Kommentar da, in dem du deine Lieblingsklassiker anpreist. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Inspiration schöpfen, Bücherläden erkunden und Bücher lesen!