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Tags: Rupi Kaur, Autorin, Poesie

Autor/in: Anne Sillmann

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„our backs tell stories no books have the spines to carry” – women of colour von Rupi Kaur

 

Damit trifft die indisch-kanadische Schriftstellerin Rupi Kaur mitten ins Herz der Zeit. Sie ist Poetin, Feministin und Mutmacherin. Ihre modernen Gedichte sind zwar weniger wortreich als die ursprünglich hohe Kunst der Dichtung es vorgibt, dafür aber umso emotionaler, voller Bedeutung und Inspiration. Dabei verarbeitet sie eigene Erlebnisse von Liebeskummer, Gewalt, Trauma, Migration und dem Leben als Person Of Colour. Aber von vorne!

Rupi Kaurs Leben und Schreiben

Rupi Kaur wuchs in Indien als Teil der Volksgruppe der Sikh auf, eine monotheistische Religionsgemeinschaft, die sich von religiösen Dogmen entfernt und religiöse Weisheit im Alltag nutzbar macht. Mit vier Jahren emigrierte sie mit ihrer Familie nach Kanada. Dort studierte sie später an der University of Waterloo Rhetorik und professionelles Schreiben.

Mit dem Schreiben begann sie schon während der Schulzeit. Zu Beginn veröffentlichte sie ihre Gedichte noch anonym auf Tumblr, später wechselte sie auf Instagram und illustrierte dort ihre Worte mit wunderbar minimalistischen Zeichnungen. So gehört sie seither den „Instapoets“ wie Atticus, Warsan Shire und vielen weiteren an.

Ihre erste Anthologie „milk and honey“ ist eine Sammlung aus eigener Lyrik, Prosa und Illustration, die Rupi Kaur 2014 veröffentlichte. Das Buch war mit 2,5 Millionen Verkäufen ein durchschlagender Erfolg und stand länger als ein Jahr auf der New York Times Bestseller List. Auch das nachfolgende Werk „the sun and her flowers“, das 2017 erschien, verzeichnete ähnliche Erfolge. Beide Werke wurden in 40 Sprachen übersetzt.

Zwischen Trauma und Feminismus

So inspirierend Rupis Werke sind, so traumatisch sind die Ereignisse, die sie darin beschreibt – seien es ihre eigenen oder die Erlebnisse ganzer Generationen. Ihre Worte sollen vor allem erzählen, was Frauen und Mädchen tagtäglich erleben. Von Liebe, Herzschmerz und sexuellem Missbrauch – Tabuthemen gibt es für sie nicht. Auch die Erlebnisse von People of Colour und Migranten finden Einzug in ihre Gedichte. Mit ihren Worten gibt sie den Menschen eine Stimme, die ähnliches erlebt haben, es jedoch nicht hätten in Worte fassen können.

Von ihren eigenen Erfahrungen ließ sich Rupi aber nicht unterkriegen. Feministin und Kämpferin durch und durch verarbeitete sie ihre Traumata und zurück blieb eine inspirierende, mutmachende Frau, an der sich so manche*r ein Beispiel nehmen kann.

In den sozialen Netzwerken bekam sie vor allem Aufmerksamkeit, als sie ein Foto einer vollbekleideten, menstruierenden Frau mit Blutflecken auf der Hose und dem Laken postete. Damit wollte sie im Rahmen eines Seminars an ihrer Universität die Grenzen von Normalität aufbrechen und die Periode entmystifizieren. Prompt wurde das Bild von Instagram gelöscht, was ihren Protest nur anfeuerte und ihr zahlreiche Unterstützer*innen einbrachte. So viele, dass Instagram das Foto wieder postete.

Stilistische Merkmale Rupi Kaurs

Etwas ungewöhnlich mag den Dichtkunstbewanderten Leser*innen Rupis wortkarg anmutender Stil vorkommen. Nicht jedoch, wenn frau den Hintergrund kennt. Denn Kaurs Worte tragen umso mehr Bedeutung in sich – die durch die einfache Sprache und die kurzen Texte auch Nichtmuttersprachler*innen zugänglich ist.

Die ausschließliche Verwendung von kleingeschriebenen Buchstaben entlehnt sie ganz nach dem Motto „Zurück zu den Wurzeln“ ihrer Muttersprache Panjabi und der zugehörigen Schrift Gurmukhi. Sie möchte damit auch ihre Weltsicht vermitteln, in der jeder Buchstabe so wie jeder Mensch und jedes Wesen gleich behandelt werden soll.

Die Einfachheit und Direktheit ist ihren Gedichten eigen und macht für viele den Charme und die Authentizität von Rupi Kaurs Werken aus. Für viele Kritiker ist dies aber auch der Ansatz für Bemängelung.

 

Kritik an Rupi Kaurs Werken

Neben der Vereinfachung des Genres der Poesie steht auch der Kontext der sozialen Medien, in denen sie viele ihrer Werke publiziert, im Zentrum der Kritik. Traditionellere Schriftsteller*innen und Dichter*innen betiteln die einfachen, leicht zugänglichen Worte als eine Degeneration der eigentlich hohen Kunst der Dichtung. Einige sprechen Rupi Kaur auch das Recht ab, über Erfahrungen mit Kolonialismus und Patriarchat zu sprechen, da sie privilegiert in einem westlichen Land aufwuchs. Ihre Geschichte und Erfahrungen zeigen jedoch, dass Ereignisse im Zusammenhang mit Kolonialismus und Patriarchat auch in ihrem Leben ein zentrales Thema sind. Letztendlich zählt die eigene Empfindung.

Eine kleine Kostprobe haben wir hier gesammelt:

 

„to hate is an easy lazy thing but to love takes strength everyone has but not all are willing to practice”

“our work should equip the next generation of women to outdo us in every field

this is the legacy we’ll leave behind”

“we are all born so beautiful

the greatest tragedy is being convinced we are not”

“leaving her country was not easy for my mother

i still catch her searching for it in foreign films and the international food aisle”

“look down at your body whisper there is no home like you“

 

 

Mehr davon gibt es in Rupi Kaurs Werken oder auf ihrem Instagram Account.

Du willst noch mehr moderne Poet*innen kennen lernen? Dann schau doch mal hier vorbei und hole dir ein bisschen Inspiration.